
Aus Schrott wird Diamant: Warum das keine Schrottidee ist
Inzwischen ist es einen Monat her, dass die erste Phase unserer „Aus Schrott wird Diamant“-Kampagne zu Ende gegangen ist. Zeit für uns, noch einmal zurückzuschauen. Warum haben wir das eigentlich gemacht? Ist das wirklich nachhaltig? Und wer hat denn jetzt eigentlich teilgenommen?
DIE KAMPAGNE: EINE SIMPLE IDEE MIT EINEM KLEINEN TWIST
Unsere Einladung war simpel: Altes Auto gegen neues E-Bike. Im Detail verbarg sich aber eine clevere Idee. Als Andenken an die ehemals vier Räder versprachen wir den Gewinner:innen, aus Altmetall ihrer verschrotteten PKWs das Steuerkopfschild ihrer neuen E-Bikes zu schmieden. So wollten wir die nostalgischen Emotionen unserer Gewinner:innen mit unserer eigenen, ebenso emotionalen Geschichte verbinden. Die Kampagne wird so zur sichtbaren Brücke vom Vorher ins Danach.

DAS WOLLTEN UND WOLLEN WIR ERREICHEN
Offensichtlich geht es uns darum, Menschen dazu zu animieren, viele tägliche Wege mit dem Rad statt dem Auto zu erledigen. Nachhaltige Mobilität ist uns eine Herzensangelegenheit, die zuletzt hinter Inflation, Pandemie und Krieg zurückgeblieben ist. Das ist vielleicht auch richtig so, aber dennoch ist und bleibt die Lage ernst. Da reicht es für die, die es können, vielleicht nicht, das Auto einfach öfter stehen zu lassen. Zu groß bleibt die Versuchung, es eben doch wieder zu nehmen.
So haben wir uns persönlich und individuell an Nutzer:innen gewendet, die ernsthaft aussteigen und aufsteigen wollen, die es sich nachhaltig vorstellen können, ihr altes Auto zu verschrotten und durch ein E-Bike zu ersetzen.
Aber unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Möglichkeiten. Für manche kann das jeder Weg sein. Für andere die meisten. Und wieder für andere nur sehr wenige. Wir wissen, dass ein PKW für viele Menschen unabdingbar ist. Nur eben nicht für alle.
Und so wollten wir schlussendlich das erreichen: Mensch, stelle dir zwei Fragen. (1) Vor jeder Fahrt: Welches Verkehrsmittel ist diesmal das richtige? Triff diese Entscheidung bewusst, nicht aus Gewohnheit. (2) Wenn dein altes Fahrzeug den Punkt erreicht hat, an dem du es ersetzen würdest: Was kommt danach und muss es nochmal ein PKW sein oder reicht für dich vielleicht auch eine Alternative für einen neuen mobilen Mix?
WIE NACHHALTIG IST DAS VERSCHROTTEN DER FAHRZEUGE?
Auf Social Media schlugen uns während der Kampagne sehr viele kritische Stimmen entgegen. Und das ist gut so. Über den Ton könnte man diskutieren, aber wir finden es richtig, dass Menschen ihre Meinung äußern. Dabei sind einige Punkte immer wieder aufgetaucht, die wir hier noch einmal kurz aufgreifen und aus unserer Sicht kommentieren.
Werden dabei nicht auch erhaltenswerte Fahrzeuge verschrottet?
Wir haben die Gewinner:innen ganz bewusst per Jury-Bescheid ausgewählt. Das erlaubt uns, genau dieses Problem zu vermeiden. Ein großer Teil der Einsendungen betraf Autos, deren technische Vorgeschichte sehr eindeutig darauf hinwies, dass der nächste TÜV-Bescheid negativ ausfallen würde.
Können E-Bikes Autos wirklich ersetzen?
Ja, wir sind überzeugt davon, dass E-Bikes Autofahrten ersetzen können – und bei manchen Menschen so viele Autofahrten, dass es dann gar kein Auto mehr braucht. Zum Beispiel bei Fahrten zum Arbeitsplatz, um Freunde zu treffen oder zum Einkaufen. Schlussendlich hängt das aber auch vom eigenen Wohnort und dessen Infrastruktur ab. Menschen, die viel allein fahren und dabei allenfalls einen Rucksack mitnehmen, können das Auto viel einfacher ersetzen. Menschen, die gelegentlich doch Gepäck und Passagiere haben, kommen mit Carsharing oder Mietwagen vielleicht auch gut klar.
Gibt es auf dem Land nicht? Das stimmt. Nachbarschaftliche Hilfe gibt es aber auch da. Als noch nicht jeder ein Auto hatte, war derlei Hilfe selbstverständliche. Dörfliche Konzepte für Pool-geteilte Pool-Fahrzeuge sind demnach Vergangenheit, die wieder Zukunft werden könnte.
Sind E-Bikes nicht selbst pure Umweltverschmutzung?
Unsere Mutterfirma Trek hat im Jahr 2021 für viele Räder den CO2-Fußabdruck berechnet. Darunter sind auch E-MTBs. Für City- und Trekking® E-Bikes und E-SUVs, wie Diamant sie anbietet, fehlen uns die Daten für Schutzbleche, Licht und Gepäckträger – Teile, die unsere Bikes ohne Motor aber auch haben. Alle elektrischen Komponenten machen ca. 75kg CO2 aus. Das E-Bike ist dann klimaneutral, wenn es so viel mehr Autofahrten ersetzt als ein klassisches Rad, dass diese 75kg CO2 abgegolten sind.
Grob könnte man sagen: Wenn ein:e Fahrer:in mit einem E-Bike ca. 350-400km mehr Autofahrten ersetzt als er/sie es mit einem klassischen Rad machen würde, dann ist für diese Person das E-Bike umweltfreundlicher als ein klassisches Rad. Und wenn ein E-Bike ca. 1.000km Autofahrten ersetzt, dann ist es klimaneutral. (Offensichtlich: Hier geht es um Autofahrten ohne Passagiere und mit wenig Gepäck.)
Wird ein Auto umweltfreundlicher, je länger es genutzt wird?
Dieses Argument wurde uns wiederholt entgegengebracht. Nichts wäre so umweltfreundlich wie ein altes Auto, das nach mehreren hunderttausend Kilometern die Herstellungsemissionen bereits aufgewogen hat. Das Argument ignoriert aber die Emissionen, die durch Betrieb und Instandhaltung verursacht werden. Auch die Herstellung, der Transport und die Lagerung von Ersatzteilen verursacht CO2-Emissionen. Manche Autos fahren sehr robust und nahezu reparaturfrei. Andere eben nicht. Ja, auch E-Bikes und Fahrräder benötigen Wartung. Aber auch hier schlägt die CO2-Bilanz aufgrund der deutlich geringeren Teilezahl sehr stark zugunsten der Zweiräder aus.
Ist das nicht auch wieder eine Kampagne für Städter, die sich fürs Land gar nicht interessiert?
Uns ist klar: Hier werden potentiell sicher überwiegend Zweitwagen und Stadtfahrzeuge ersetzt. Es gab allerdings auch viele Beiträge aus ländlichen Gebieten. Auch unter unseren Gewinner:innen sind wenige Städter vertreten (und keine Person aus den zehn größten deutschen Städten). Die Realität widerspricht daher dieser naheliegenden Vermutung.
EINE KLEINE ÜBERSICHT DER VIELEN EINSENDUNGEN
Insgesamt hatten wir 268 Einsendungen. Darunter waren noch einige Duplikate, ein paar Fahrräder und einige Spaßbeiträge. Es gab auch einen Teilnehmer, der sein Auto nach dem Verlust seines Führerscheins abgeben wollte, und viele Teilnehmer:innen, die uns bereits abgemeldete Autos vorgeschlagen hatten. Nachdem wir alles bereinigt hatten, blieben noch 224 Beiträge übrig, unter denen wir uns entscheiden konnten.
Die folgende Grafik gibt ein paar Trivia-Fakten aus der Vielzahl der Beiträge wieder. Tatsächlich: Deutsche lieben rote Autos! Oder eben nicht, wenn sie diese in so großer Zahl dem Schrottplatz anvertrauen würden. Vielleicht überrascht es auch nicht ganz, dass wir so vielen Smart begegnet sind. Hier fühlt sich der Wechsel vielleicht besonders leicht an.
Daneben wollen wir die skurrilen Einsendungen nicht ganz außer Acht lassen. Dazu gehört definitiv die Yacht, die uns angeboten worden ist. (Wir gehen von einem Spaßbeitrag aus.) Besonders kreativ war der Smart, der von einem Kinderbike abgeschleppt wurde. Selbst schon ein Zweirad, aber eben mit Verbrenner motorisiert: Die Kawasaki Ninja war eines von zwei Motorräder im Wettbewerb.



Oder auch der Daimler, der zwar nicht mehr danach aussieht, aber immer noch einen laufenden Motor hat. Der kam natürlich nicht in die engere Auswahl, weil er ohnehin nur noch in einer Scheune steht. Apropos Scheunenfund: Wir hätten es nicht übers Herz gebracht, den VW Käfer aus Österreich zu verschrotten. Auch ein Ford Taurus von 1979, ein Mercedes mit ausgeprägter Rallye-Geschichte und ein Cabriolet von Mazda waren dabei. Über alle potenziellen Sammlerstücke haben wir uns im Sinne der Abwechslung gefreut. Wir haben sie allerdings nicht als Schrott bewertet, denn sie sind es nicht.

Autos können zur Leinwand von Kunstwerken werden. Irgendwie. Außergewöhnliche Karosserie-Gestaltungen haben wir immer wieder gesehen. Ein Audi erinnerte uns an die Gestaltung von Louis Vuitton-Handtaschen. Ein Auto, dessen Versagen im TÜV absehbar war, entwickelte sich zu einer verdichteten Collage städtischer Graffiti.


WER HAT DENN NUN GEWONNEN?
Bernd, Björn, Jessica, Jannik, Meike, Familie Hanacek, Lina, Sebastian, Paul, Anja und Marion sind unsere auserwählten Schrotter:innen. Sie haben uns mit ihrer Motivation für einen Umstieg vom Auto auf das Fahrrad überzeugt. Viele von ihnen möchten bewusst auf ein (E-)Bike umsteigen – der Umwelt oder auch der Gesundheit zuliebe. So zum Beispiel Marion: Marion wohnt auf dem Land, hat bereits ein altes Diamantrad von ihrer Oma geerbt und möchte künftig ihren Arbeitsweg von 26 km mit dem Rad bewältigen – aber eben nicht mit dem von ihrer Oma, sondern mit einem Rad mit Unterstützung. Dann ist da auch noch Sebastian. Er hat uns mit seinen humorvollen Versen klar gemacht, was seine Karre für ihn bedeutet (oder eben nicht). Auch Anja möchte ihren alten Flitzer loswerden, den sie nur noch über die Beifahrertür betreten kann. Und dann sind da noch Bernd, Björn, Jessica, Meike, Lina, Paul und Familie Hanacek, die alle aus verschiedenen und doch sehr ähnlichen Gründen auf ein Bike umsteigen wollen: Die alte Karre muss weg, ein neues Rad soll her.
Alle Gewinner:innen stellen wir euch ab heute auf Instagram vor.
WIE GEHT ES WEITER?
Inzwischen haben wir alle Gewinner:innen kontaktiert. Mit Stand von Anfang Juni sind die meisten E-Bikes bereits reserviert und wir warten auf die Bereitstellung der Räder. Gleichzeitig koordinieren wir die Suche nach den Schrottplätzen. Einzelne Gewinner:innen werden wir auf dem Schrottplatz direkt begleiten.
Wir werden mit allen Gewinner:innen im Austausch bleiben. Nach und nach werden wir sie in persönlichen Porträts vorstellen. Wir wollen nachvollziehen, was dieser persönliche mobile Wandel mit sich bringt. Welche Herausforderungen gibt es plötzlich? Welche Sorgen stellen sich als unbegründet raus? Welche Lösungen finden sich? Wie geht das – und geht das eben wirklich? Wir werden diese Fragen erst im Prozess beantworten können.
Das heißt: Die Kampagne ist im Kern zwar vorbei. Das Experiment beginnt allerdings erst heute.
LIFE AFTER SCHROTT
Stand August 2023 haben alle Teilnehmer:innen der Kampagne „Aus Schrott wird Diamant“ ihr Bike bekommen. Mit zwei konnten wir bereits über ihren persönlichen Wandel sprechen. Schau doch mal was Anja Westermann (Anja Westermann über den mobilen Wandel) und Björn Böink (Björn Böink auf dem Weg zu einer neuen Normalität) zu erzählen haben.