
Diamant Umfrage zur urbanen Mobilität: Radwege-Infrastruktur im Fokus – Was ist und was sein sollte
In den letzten Jahren hat sich das Fahrrad als umweltfreundliches und gesundes Verkehrsmittel weiter etabliert. Doch nutzen wir das Fahrrad oder E-Bike auch wirklich so oft, wie wir könnten? Wie steht es um das Fahrrad als Mobilitätsalternative in Deutschland? Welche Hürden und Motivationen beeinflussen unsere Entscheidungen, auf das Fahrrad umzusteigen, beziehungsweise primär das Fahrrad anstelle des Autos oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zu wählen? Genau diese Fragen beleuchtet unsere aktuelle Umfrage, die wir zusammen mit dem Hamburger Marktforschungsinstitut Consumerfieldwork im April 2024 durchgeführt haben.
DIE UMFRAGE IM ÜBERBLICK
Unsere repräsentative Umfrage unter 1.131 Personen ab 14 Jahren gibt uns aufschlussreiche Einblicke in die urbanen Mobilitätsgewohnheiten der Bevölkerung hierzulande. Sie zeigt, dass das Fahrrad weiterhin auf dem ersten Platz der bevorzugten Verkehrsmittel unter den Befragten steht. 46 Prozent möchten das Fahrrad in Zukunft häufiger nutzen, während nur 14 Prozent die Fahrradnutzung reduzieren möchten. Interessanterweise möchten 27 Prozent auf das Auto und öffentliche Verkehrsmittel verzichten. Wir erkennen daran, dass Fahrradfahren nicht nur ein urbaner Trend ist, sondern auch in ländlichen Gebieten an Bedeutung gewinnt. Besonders bemerkenswert ist die Beliebtheit von E-Bikes: Bereits mehr als die Hälfte aller in Deutschland verkauften Fahrräder sind E-Bikes – jedes vierte im Alltag genutzte Fahrrad ist ein E-Bike.

Trotz des erfreulicherweise anhaltenden Bike-Booms, zeigt sich dennoch bei vielen von uns eine Diskrepanz zwischen dem bloßen Wunsch, mehr Fahrrad zu fahren, und den tatsächlichen Nutzungsgewohnheiten. Doch welche Faktoren beeinflussen dieses Missverhältnis von persönlichem Wunschdenken zu Realität? Was können beispielsweise Fahrradhersteller oder Kommunen besser machen, damit das Fahrrad DAS Fortbewegungsmittel der ersten Wahl wird und somit eine klimafreundliche urbane Mobilität in Deutschland verfestigt wird – besonders in Fällen, in denen nur kürzere Strecken zu bewältigen sind?
HINDERNISSE UND HERAUSFORDERUNGEN
Betrachtet man die Ergebnisse unserer Umfrage detailliert, wird deutlich, dass Platzmangel, mangelnde Sicherheit und unzureichende Infrastruktur die größten Hindernisse für eine vermehrte Fahrradnutzung und die damit zu erzielende nachhaltige urbane Mobilität darstellen. Nur etwas mehr als 30 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass es in ihrem Umfeld ausreichend Platz für Radfahrer gibt. Besonders auffällig ist, dass selbst E-Bike-Besitzer für kurze Strecken häufig das Auto nutzen, obwohl sie doch eigentlich eine praktischere, kostengünstigere Alternative mit ihrem elektrisch betriebenen Zweirad zur Hand hätten. Dies deutet, dass die persönliche Entscheidung zugunsten des Fahrrads eben nicht nur von der bloßen Verfügbarkeit abhängt. Vielmehr beeinflussen uns äußere Umstände wie beispielsweise die gegebene Infrastruktur – vor allem die (Nicht-)Verfügbarkeit sicherer Fahrradwege – die viele Radfahrende als besonders wichtig ansehen.

GESUNDHEIT UND KOSTEN ALS HAUPTMOTIVATOREN
Als erfreuliches Ergebnis der Umfrage geht hervor, dass gesundheitliche Vorteile und geringere Kosten die Hauptmotivatoren für das Radfahren sind: 63 Prozent der Befragten nennen gesundheitliche Gründe, während 56 Prozent die geringeren Kosten im Vergleich zu öffentlichen Verkehrsmitteln und/oder dem Auto anführen. Diese Faktoren unterstreichen das Potenzial des Fahrrads. Eine Zukunft der urbanen Mobilität, in der das Fahrrad als primäres Verkehrsmittel eingesetzt wird, ist also NICHT utopisch – vorausgesetzt die gewünschten Bedingungen ließen sich realisieren.
SO PARADOX IST UNSERE MOBILITÄT
Unsere Umfrage bringt auch einen faszinierenden Widerspruch ans Licht: Viele Menschen WOLLEN zwar Radfahren, tun dies aber aus verschiedenen Gründen nicht. Nur 10 Prozent der Befragten verwenden für ihren längsten täglichen Weg das Rad, während 55 Prozent das Auto nutzen. Dabei sind die meisten dieser Wegstrecken als Kurzstrecken mit weniger als 5 Kilometern Länge einzuordnen. Sie ließen sich daher leicht mit dem Fahrrad bewältigen, sobald der vorhandene Wille auch in die Tat umgesetzt würde.
Die Realität heute ist aber leider noch eine, in der selbst kurze Distanzen oft nicht mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Das obwohl dies sowohl ökonomisch als auch ökologisch sehr sinnvoll wäre. Das Wissen darum ist vielen von uns sicherlich auch bewusst. Umso wichtiger ist es, dass wir uns mit den Anforderungen der urbanen Mobilität intensiv beschäftigen. Speziell sind das ein passendes Radwegenetz und Sicherheit.

DIE ROLLE DER FAHRRADINDUSTRIE UND STÄDTEPLANUNG
Die Umfrage hebt auch die Verantwortung der Fahrradindustrie und der Städteplanung hervor. Die Fahrradindustrie hat beispielsweise maßgeblichen Einfluss auf die Lösung typischer Probleme des Radfahrens: Zwei zentrale Herausforderungen sind schlechtes Wetter und unzureichender Diebstahlschutz. Interessanterweise sind nasse und dreckige Kleidung die größte Sorge bei schlechtem Wetter. Fast genauso viele Teilnehmer sorgen sich um ihre Sichtbarkeit und die Gefahr auszurutschen. Besonders erfahrene Radfahrer haben Angst, von anderen Verkehrsteilnehmern nicht gesehen zu werden, während weniger geübte Fahrer speziell die Rutschgefahr fürchten. Fahrradhersteller können durch breitere Reifen, kompaktere Geometrien und bei E-Bikes auch durch Antiblockiersysteme die Sicherheit verbessern und somit diesen Bedenken entgegenwirken.

Auch beim Thema Diebstahlschutz zeigt sich Handlungsbedarf: Zwei Drittel der Befragten halten Schlösser und Bügel für ausreichend, ein Drittel fordert jedoch bessere Lösungen wie abschließbare Fahrradstellplätze und Fahrradgaragen. Eine schnelle Abhilfe könnte durch die Umgestaltung alter Stellplätze in Innenstadtgaragen erreicht werden. Hier sind sowohl Fahrradindustrie als auch Verantwortliche in der Städteplanung gefordert, innovative und praktische Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.
Potenzialabschätzung zum Radverkehr
Das Frauenhofer-Institut kommt zu ähnlichen Ergebnissen und schlägt vor, die Fahrrad-Infrastruktur, den öffentlichen Personenverkehr und die Fahrradfreundlichkeit der Kommunen auszubauen. Der Radverkehrsanteil auf allen Wegen bis 30 Kilometer Länge könne dadurch auf durchschnittlich 45% steigen. Das heißt, der Radverkehr könnte bis 2035 dreimal so hoch sein wie jetzt. Wir begrüßen und unterstützen diese Vorschläge. Mehr zu dieser Studie kannst du hier lesen: Wie sich der Radverkehr verdreifachen könnte.