Die Eroica, die berühmteste historische Radveranstaltung der Welt, zieht jedes Jahr zahlreiche Teilnehmer, Nostalgiker und Zuschauer in die italienische Toskana – genauer gesagt in das kleine Bergdorf Gaiole in Chianti.
So gesellen sich immer am ersten Oktoberwochenende zu den knapp 3000 Einwohnern mehr als doppelt so viele Menschen – mit Vintage-Rad und Retro-Trikot ausgestattet. Wie ist das Event und wie fühlt es sich an, auf toskanischen Schotterstraßen zu fahren? Eindrücke von Eroica-Teilnehmern im Diamantrad-Blog.
Das größte Vintage-Radrennen in Italien
Seit 1997 fahren Fahrrad-Begeisterte aus aller Welt mit historischen Rädern die steilen Hügel der italienischen Berglandschaft hinauf. Zur Veranstaltung zugelassen sind nur Rennräder aus Stahl mit einem Herstellungsjahr von vor 1987.
Moderne Radlerkleidung aus Elasthan sind übrigens genauso wenig erlaubt wie technische Hilfsmittel – schließlich ist das Ziel der Eroica , das Lebensgefühl vergangener Zeiten aufleben zu lassen. So tragen die Teilnehmer Trikots aus Wolle und Kappen aus Baumwolle statt Fahrradhelmen (obwohl diese zur Sicherheit der Teilnehmer erlaubt sind). Einige ergänzen ihr Outfit sogar mit einem stilechten Schnauzbart.
Zur Veranstaltung gehört neben dem Rennen an sich auch ein Flohmarkt (zumindest vor Corona), auf dem Fahrradsammler fündig werden dürften: Dort gibt es Original-Zubehör, Fahrradteile, Vintage-Trikots, historische Räder und alte Fahrradzeitschriften zu kaufen. Der angegliederte Concours d’Élégance bewertet und prämiert die beeindruckendsten Fahrräder, die an der Fahrt teilnehmen, aufgeteilt in vier Kategorien (je nach Herstellungszeitraum und eine Sonderkategorie für Modelle, die nur ausgestellt werden).
Wie ist die Eroica entstanden?
Giancarlo Brocci, ein gelernter Mediziner, hat die Veranstaltung mit dem Ziel ins Leben gerufen, das inspirierende Lebensgefühl vergangener Zeiten zu konservieren. Gleichzeitig dient das Event auch als Basis, die letzten charakteristischen Schotterstraßen der Toskana, die „strade bianche“, vor einer Asphaltierung zu schützen – was bisher auch gelungen ist.
Beim ersten Klassiker-Radrennen 1997 gingen 92 Teilnehmer ins Rennen, um diese Ziele zu verfolgen. Seitdem wächst das Event fast kontinuierlich (s. Auflistung der Teilnehmerzahlen unten) und zieht immer mehr Begeisterte an. Aufgrund des erfolgreichen Konzepts gibt es mittlerweile mehr als ein Dutzend Ableger-Veranstaltungen auf der ganzen Welt (siehe hierzu auch die Liste weiter unten).
Aber sowohl am Anfang wie auch jetzt gilt: Sportlicher Ehrgeiz und ein Rennen gegen die Zeit war und ist weniger wichtig als der Zusammenhalt auf der Strecke. Diese verlangt den Radlern nämlich hohes Durchhaltevermögen und gute Kondition ab.
Die Regeln der Eroica
Neben dem Alter des Fahrrads (Herstellungsdatum vor 1987) und einigen Empfehlungen gibt es weitere zusätzliche Reglements der Rennleitung, die wichtigsten davon hier aufgelistet:
- – Rennräder sollten über außen liegende Züge und Schalthebel, die am Unterrohr angebracht sind, verfügen.
- – Für die vier längsten Strecken ist ein medizinischer Nachweis für das „kompetitive Radfahren“ notwendig, für die kürzeste reicht eine allgemeine Bescheinigung.
- – Teilnehmer müssen 15 Jahre oder älter sein.
- – Die Mitgliedschaft im Radsportverband U.C.I. ist für internationale Teilnehmer zwingend.
- – Sollten Teilnehmer keine Vintage-Kleidung bzw. daran angelehnte Trikots und Jerseys tragen, ist eine Disqualifikation möglich.
- – Von dieser Regelung ausgenommen sind moderne Schutzhelme, die die Rennleitung auch empfiehlt.
- – Teilnehmer müssen ein Reparaturkit für unterwegs mitführen.
Wer übrigens kein passendes altes Rennrad zuhause stehen hat, findet vor Ort Möglichkeiten, ein passendes Modell zu mieten oder sogar zu kaufen. Verschiedene Stände bieten zudem auch Bekleidung zur Vervollständigung des Nostalgie-Outfits an.
Heldenhafte Hügelbezwinger – mit Vintagebikes durch die Toskana
„Eroica“ stammt aus dem Italienischen und bedeutet „heldenhaft“ – und das beschreibt sehr treffend, wie die Radfahrer die Hügel der Toskana hochstrampeln. Zur Wahl stehen fünf unterschiedliche Strecken über 46, 81, 106, 135 und 209 Kilometer. Alle haben es in sich: Die schwer zu befahrenen Schotterstraßen schlängeln sich mit bis zu 18-prozentiger Steigung durch die Landschaft. Bei der längsten Strecke sind insgesamt rund 3900 Höhenmeter zu bewältigen.
So schön das toskanische Hügelpanorama auch sein mag – den Teilnehmern des Nostalgie-Radrennens macht es das Leben schwer. Vor idyllischer Kulisse kämpfen sie ums Zurücklegen jeden Meters. Die Zeit wird wie erwähnt nicht gemessen. Vielmehr geht es darum, möglichst heldengleich ins Ziel zu kommen. Dazu zählt zum Beispiel auch, anderen Teilnehmer beim Aufpumpen eines Reifens zu helfen. An den Zwischenstationen machen die Radfahrer bei Rotwein und toskanischen Spezialitäten Rast, um sich für die kommenden Streckenabschnitte zu stärken.
Erfahrungsbericht: Olaf Bechstein über die Eroica 2017
Natürlich hatten wir einige Fragen an Diamantiker Olaf Bechstein, der 2017 auf einem Diamantrad über die „strade bianche“ gefahren ist. Nachfolgend seine Erfahrungen in eigenen Worten:
2017 habe ich zum ersten Mal an der Eroica teilgenommen, und zwar auf der 75km langen Strecke. Angetreten bin ich mit einem Diamant-Rennrad aus der DDR. Das Baujahr ist vermutlich 1979; die Seriennummer am Tretlager lässt sich leider nicht mehr genau identifizieren. Ob das eine gute Wahl war? Ja! Mit historischen Rädern in entspannter Atmosphäre auf der Eroica zu fahren, ist einfach ein cooles Erlebnis! Mit einem modernen Carbonrenner kann doch jeder fahren.
Bevor es losging, mussten wir wegen eines Fotoshootings ungeduldig am Start warten. Wir hatten alle eine aufwendige Vorbereitung hinter uns, denn immerhin mussten wir drei Fahrräder aufbauen und uns mit Trikots einkleiden – vom Training mal ganz abgesehen. Wir wollten also unbedingt starten und ich war einfach froh, als es dann soweit war und ich auf meinen ersten Metern fuhr.
Der schwerste Streckenabschnitt war das Teilstück zwischen KM 50 und 61. Es ging zehn Kilometer bergauf, und dann kam noch eine 12%-Rampe. Das war das einzige Mal, dass ich absteigen musste. Die Zieleinfahrt hat dann allerdings alle Strapazen vergessen gemacht. Das Gefühl, es gemeinsam geschafft zu haben, die applaudierenden Zuschauer, unsere fotografierenden Mädels…toll!
Aufgrund unserer guten Vorbereitung hatte ich sogar, man mag es kaum glauben, keinen Muskelkater. Anschließend haben wir – dann aber sogar bei Sonnenschein – mit den Mädels tatsächlich noch eine zweite Runde gedreht.
Manfred Galonski und die Eroica 2019
Auch von der Eroica 2019 haben wir Eindrücke mitbringen können – diesmal von Manfred Galonski, der bereits zum sechsten Mal teilgenommen hat:
Für mich ist die Eroica immer eine WM und Olympiade zugleich, wenn 8.000 gleichgesinnte Retrofahrer aus 60 Ländern der Welt sich in dem beschaulichen Gaiole treffen. Der Teilemarkt ist gigantisch und man findet immer etwas was man nach Hause bringt. Diesmal war es ein Faggin Rennrad aus den 70er Jahren.
Dieses Jahr bin ich die neue Strecke über 106 km gefahren; Teile davon kannte ich bereits. Aber zum ersten Mal habe ich den Anfang des Kurses im Hellen zurückgelegt. Da sieht man dann, welche Abfahrten man früher im Dunkeln herunterfährt und wundert sich, dass man das ohne Furcht und Sturz auf den dünnen Reifen geschafft hat.
Gefahren habe ich ein Pinarello Motello aus 1985. Keine Pannen, kein Platten. Die Fahrt selbst war einfach wunderschön. Super Wetter, nette Mitfahrer und ein Streckenprofil mit fast 1.900 Höhenmeter – ein ständiges Auf und Ab. Auf den Höhen hatten wir weite Sicht über das Chianti-Gebiet, wo in den Tälern noch Nebel war, einfach schön. Die Verpflegungsstellen waren super bestückt mit den Leckereien aus der Toskana. Unterwegs haben wir auch in einem Cafe angehalten, um einen Espresso zu trinken. Die Gäste im Cafe klopften einem auf die Schulter – Radsport hat in Italien eben einen hohen Stellenwert. Bei der Zieleinfahrt waren sehr viele Zuschauer, die uns applaudierten.
Das nächste Jahr ist auch schon in Planung mit Eroica Limburg, Eroica Germania, Velo Classico Germany und natürlich der Eroica in Gaiole. Und bis dahin bleibt der Staub der Strade bianche, der sich auf das Rad gelegt hat, als „Heldenstaub“ auf dem Rad.
Anmeldung und Termine zur Eroica
Alle Interessierten können sich auf der Webseite der Eroica anmelden. Die Registrierung für einen der Teilnehmerplätze läuft normalerweise ab Januar. Übrigens: Alle Routen sind entsprechend ausgeschildert. Die 209 km lange Strecke ist mittlerweile auch ganzjährig befahrbar. Wer seinen Urlaub in der Toskana mit der Eroica in Gaiole kombinieren möchte, findet hier den nächsten Termin: Datum für 2025 noch nicht bekannt.
Eroica international – Vintage-Radrennen auf der ganzen Welt
Das Interesse an ähnlichen Radveranstaltungen wächst und so verwundert es nicht, dass es mittlerweile viele internationale Eroica-Events bzw. -Ableger gibt. Folgende Rennen sind neben der Tour in Gaiole geplant bzw. haben bereits stattgefunden:
- Eroica Japan – 12. & 13. April 2025
- Eroica Montalcino, Italien – 25. Mai 2025
- Eroica Valkenburg, Niederlande – 6. Juni 2025
- Eroica Germania, Deutschland – 23. August 2025
- Eroica Dolomiti, Italien – 6. September 2025
Ähnliche Nostalgie-Radrennen in Deutschland
Auch abseits der Eroica-„Franchise“ gibt es hierzulande Vintage-Veranstaltungen rund ums Fahrrad. Alle Nostalgie Radrennen findest du auf unserer Übersichtseite.
Auf unserer Übersichtsseite zu Diamantrad News. haben wir Dir einige Vintage-Radrennen, Veranstaltungen und Fahrradmessen zusammengetragen. Viel Spaß beim Stöbern!
Weiterführende Informationen zur Eroica
- Die offizielle Webseite der Eroica (englisch/italienisch)
- Hier geht es zur Anmeldung für die Eroica (englisch/italienisch)
- Ausführlicher Erfahrungsbericht zur Eroica Gaiole 2015 (deutsch)
Kommentare
Hallo,
mein Mann und ich haben begeistert die Berichte der Eroica gelesen.
Wir beide besitzen passend so ein historisches Rennrad und würden sehr gerne bei diesen bestimmt grandiosen Rennen 2018
teilnehmen. Wir wollen uns jetzt anmelden, jedoch sind wir verunsichert, weil bei der Registrierung eine Mitgliedschaft
gefordert wird, diese 100 € kosten soll.
Unsere Frage: ist dies der richtige Weg zur Teilnahme?
Können Sie uns da genaue Info geben?
Sabine&Gerd
Hallo Sabine, hallo Gerd,
für die genauen Teilnahmeregelungen ist die offizielle Webseite der Eroica (s. auch Liste weiterführender Links im Beitrag) die richtige Anlaufstelle. Bei weiteren Fragen empfehlen wir Ihnen ansonsten das Kontaktformular – aus eigener Erfahrung wissen wir, dass die Mitarbeiter Ihnen in der Regel dort sehr schnell und freundlich antworten.
Viele Grüße,
die Diamant Redaktion
Schade, dass jetzt hier in Deutschland endlich eine Eroica gefahren werden kann und dann nur für Clubmitglieder. Ich fahre bisher nur in Gaiole, würde die Vorteile eines Cyclo Club nicht ausnutzen. Man ist also benötigt, Mitglied zu werden um vor der Haustür mitfahren zu können… Steht der Sport im Vordergrund oder Komerz? Ingo
Hallo Diamant-Team,
in diesem Beirag wird von Olaf Bechsteins teilnahme an der L’Eroica in der Toskana berichtet. Teilgenommen hat er daran mit einem DDR-Diamant-Rennrad und dazu passenden Diamant- Renntrikot.
Ich selbst habe auch ein Diamant-Rennrad, Bj. 1978 restauriert und möchte damit in diesem Jahr an der Eroica Germania am 25.08. im Rheingau teilnehmen.
leider fehlt mir bisher die zeitlich passende Bekleidung.
Könnt Ihr einen Kontakt zu Olaf Bechstein herstellen, um zu erfahren, wo er sein Diamant-Trikot her hat ?
Dank und Gruß
Konrad Naumann
Hallo Herr Naumann,
wir haben Herrn Bechstein gefragt und er sagte uns, dass die Trikots von der Firma orwi aus Poing hergestellt wurden. Im Vorfeld hat er bei Diamant angefragt, das Logo zu nutzen. Für ähnliche Anfragen nutzen Sie am besten das Kontaktformular auf der Diamant-Webseite: https://www.diamantrad.com/kontakt/
Viele Grüße
die Diamantrad-Redaktion
Sehr schön, danke. Ich empfehle interessieten Vintage Rennrad Fahrern die Tour d‘ Alba in Vorarlberg. Kult!
Hallo Herr Frisbie,
die Tour d’Alba haben wir auch in unserem Beitrag zu anderen Nostalgie-Radrennen aufgelistet: https://www.diamantrad.com/blog/nostalgie-radrennen/
Viele Grüße
die Diamant-Redaktion