Abenteuer auf dem Fahrrad erleben – egal ob als Extremtour oder im Alltag: Das ist Tobias Hubolds Leidenschaft. 17 Länder hat er bereits mit dem Rad erkundet – und seit der Corona-Pandemie auch seine Heimatregion Jena. Der Radsportler ist Familienvater und arbeitet als Software-Ingenieur in einem großen Konzern. Unterwegs ist er nach dem Motto: „Du weißt nie, was nach der nächsten Kurve passiert – aber meistens sind es positive Erlebnisse.“ Im Interview mit Diamant erzählt er, wie er nach der letzten Fernradreise in Tadschikistan versucht, soziales Engagement mit seinen Touren zu verbinden, um den Menschen vor Ort etwas zurückzugeben.
17 LÄNDER AUF DEM FAHRRAD ERKUNDET
Wie ging es denn nach der großen Tadschikistan-Reise weiter, bei der wir dich ein Stück begleiten durften?
Tadschikistan war beeindruckend! Nach der Reise wollten wir den Menschen auf unserem Weg etwas zurückgeben. Also haben wir nach unserer Rückkehr zahlreiche Vorträge gehalten und Spenden für die Region gesammelt. Die Kommunikation in die ländlichen Regionen gestaltete sich allerdings schwierig und rein analog, da Handys nicht nutzbar waren. Wir entschieden uns, Briefe an andere Reisende mitzugeben, die diese dann vor Ort überreichten.
So entstand das „Music for Karakul“-Projekt: Wir kauften Musikinstrumente von Einheimischen auf und gaben sie an Schulen weiter, um Kindern eine andere Form von Bildung zu ermöglichen. Wir brachten auch Instrumente zu Gastfamilien, um so Brücken zwischen Reisenden und Einheimischen zu bauen.
Dann kam Corona. Konntet ihr euer Konzept da aufrechterhalten?
Das ist ein wichtiger Punkt, den man ansprechen muss, weil es alles verändert hat. Während der Pandemiezeit konnten wir keine Vorträge mehr halten. Deshalb habe ich gemeinsam mit Freunden Sofareisen.org gegründet, eine digitale Plattform, auf der wir und andere Reisende über unsere Erlebnisse berichteten. Wir konnten damit diverse Projekte auf der ganzen Welt finanzieren, die alle im Global Social Network vereint sind. Im Nachhinein war das ein Glücksfall: In nur 2 Jahren sammelten wir 100.000 Euro Spenden. Unglaublich eigentlich! Diese Mittel sind Unterstützung für großartige Projekte.
Wir haben z.B. gemeinsam mit anderen Kooperationspartnern und dem Global Social Network in Pakistan eine Mädchenschule in Karakul gegründet und AGs in den Schulen von Pamir. Es ist erstaunlich, wie viel aus einer einfachen Radreise entstehen kann.
Wirklich beeindruckend! Scheinbar konntest du der Situation auch anderweitig etwas Positives abgewinnen. Wie hat sich dein Rad-Reiseverhalten in den letzten Jahren entwickelt?
Die Pandemiezeit hat mein Reiseverhalten und auch meine Radreisen stark beeinflusst. Meine Tour bis nach Kirgistan, über die ihr berichtet habt, war meine letzte Fernradreise. Insgesamt habe ich nun 17 Länder mit dem Rad erkundet. Während der letzten Jahre habe ich mich vermehrt auf Touren in meiner näheren Umgebung konzentriert. Aber allmählich plane ich auch wieder fernere Ziele ein.
Das klingt nach einer spannenden Entwicklung. Erzählst du uns mehr über deine „Micro-Adventure-Touren“. Wie gestaltest du die?
In Jena haben wir eine Rad-Community, und wir fahren gerne zum Feierabend etwa 30-70 Kilometer. Diese Touren habe ich zu wahren Entdeckungstouren gemacht – je nach Vorlieben können dabei Orte für die Familie oder zum Beispiel auch besonders sportliche Routen erkundet werden. Als Einsteiger steht aus meiner Sicht die Motivation im Vordergrund einfach loszufahren. Ob es aus Fitnesssicht ist oder aus dem Drang heraus Neues zu entdecken…wichtig ist es Gewohnheiten zu ersetzen bzw. den inneren Schweinehund „einfach heute mal nichts zu tun“ im ersten Moment zu überlisten. Hat man diesen besiegt, kann man durch regelmäßiges Radfahren Ausdauer sowie auch mentale Stärke erreichen und im Alltag abrufen. Man sollte aber seinem Körper die Chance geben sich daran zu gewöhnen, um muskuläre oder physiologische Probleme vorzubeugen. Also lieber mit kleinen kontinuierlichen Routen anfangen als eine kräftezehrende weite Tour in größeren Abständen. Darüber hinaus kann man mit kleinen Iterationen viel schneller das richtige Feintuning am Fahrrad finden. Wenige Millimeter können dahingehend manchmal viel ausmachen.
Außerdem kann man so auch sich und sein Rad als Einheit in unterschiedlichem Terrain kennenlernen.
All die kleinen Erfahrungen kann man dann auf längeren Touren abrufen und die Radreisen wird zu einem puren Genuss, auch wenn es manchmal anstrengend ist oder in der Wade zwickt ;-). Tipp: Ich hätte viel früher auf Klickpedalen umsteigen sollen. Schneller unterwegs mit weniger einseitiger Belastung, da man die Pedale nicht nur nach unten drückt, sondern auch nach oben ziehen kann.
Die Zeitfenster sind gerade als Familienvater knapp. Deshalb nutzen wir die Zeit, wenn die Kinder im Bett sind oder es im Allgemeinen etwas ruhiger ist. Dennoch haben wir uns pro Woche einen festen Termin gesetzt, wann wir uns auf eine Runde treffen. Nach dem Wetter richten wir uns einfach, wie es kommt. Überraschungen sind dann manchmal garantiert. Eine Prise Neugierde darf sowohl in fernen Ländern als auch in der näheren Umgebung nicht fehlen.
Wir fahren sowohl im Sommer als auch im Winter. Meine Ausrüstung halte ich dabei minimalistisch: Im Sommer genügen ein Pullover, eine Windjacke und ausreichend Wasser. Im Winter füge ich einen Überzieher für die Füße, eine Hardshell-Jacke und eine Isolationsjacke hinzu.
Mit welchem Rad fährst du gerade?
Ich bin jahrelang mit einem Rad von Diamant gefahren, bis es nach langer Zeit dem Verschleiß zum Opfer fiel. Vor zwei Jahren habe ich mir dann ein Titan-Bike selbst zusammengestellt. Für mich sind Leichtigkeit und Stabilität entscheidende Faktoren bei meinem Bike.
Hä, was ist hier los? Tobias fährt gar kein Diamant, wird aber porträtiert? Tobias Hubold ist einer unserer Diamantiker. Wir begleiten ihn und seine Radreisen schon seit vielen Jahren. Lange Zeit hat er Länder mit seinem Diamant Elan Deluxe durchquert. Dass er damit nicht ewig unterwegs sein würde, ahnte er damals noch nicht: Tobias Hubold über radzelten.de und seine Begeisterung für Fahrradreisen.
Das ist natürlich ein Muss, gerade bei deinen Touren. Was planst du eigentlich als Nächstes?
Für mich kann es nicht hoch genug hinausgehen. Auf meiner letzten Radreise war ich bereits auf 4.700 Metern, das war eine faszinierende, andere Welt. Ich liebe alpine Abenteuer. Mein nächster Radtrip soll daher auf das Dach der Welt führen. Pamir, Karakorum oder Himalaya sind in der engeren Auswahl. Die Länderauswahl dabei steht noch nicht fest. Möglicherweise Pakistan und Indien, aber wir müssen die politische Lage berücksichtigen, bevor wir uns endgültig entscheiden.
Klingt nach einem Traumziel! Bevor wir zum Ende kommen, welche Entwicklungen auf dem Radmarkt beobachtest du gerade?
Es freut mich, dass wieder mehr Stahlräder angeboten werden. Sie sind robust und können sogar über Generationen hinweg genutzt werden. Bei den Aluminiumrädern sehe ich eher ein Problem in Bezug auf Nachhaltigkeit. Zudem beobachte ich mit Skepsis die zunehmende Elektrifizierung. Viele Menschen nutzen E-Bikes, obwohl sie eigentlich keines bräuchten. Die gefahrenen Geschwindigkeiten entsprechen häufig nicht dem Können des Radfahrers. Andererseits können E-Bikes auch dazu beitragen, dass Autos in der Stadt häufiger stehenbleiben, was wiederum positiv ist.
Das Thema E-Bike bietet sicher Chancen und Risiken. Viele Leute kommen dadurch zum Radfahren. Welche europäischen Radreise-Ziele würdest du Einsteigern empfehlen?
Europa bietet für Radfahrer alles, was man sich wünschen kann: Berge, Seen, Flachland. Ich empfehle, zunächst in der Heimat zu beginnen und von dort aus zu wachsen. Deutschland war auch für mich der Ausgangspunkt, dann arbeitete ich mich in die Berge vor und erkundete schrittweise andere Länder. Der Balkan ist ein empfehlenswertes Ziel mit seinen vielfältigen Landschaften und facettenreichen Regionen. Es ist eine der diversesten Regionen, die ich kenne.
Über 100.000 Euro für soziale Projekte, die er auf seinen Radreisen in bisher 17 Länder kennenlernte: Das ist die Pandemie-Bilanz von Fahrradabenteurer Tobias Hubold. Möglich machte der Software-Ingenieur das mit einer Website, auf der er gemeinsam mit anderen Weltenbummlern von ihren Erlebnissen erzählen.
Gleichzeitig lernte der Familienvater schätzen, welche Entdeckungsreisen vor der Haustür warten. Jetzt ist die Zwangspause vorbei und es zieht in doch wieder fort: Ein Fernreise-Trip ist in Planung.